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Hund mit Handycaps

Der ukrainische Cocker Filip mit Restsicht auf einem Auge
und  wahrscheinlich geplatztem Trommelfell 

Also ich sag es ehrlich Leute: einen halbblinden und dazu stocktauben Hund hätte ich mir ganz sicher nicht ins Haus geholt. Aber nun ist Filip da. Und nun bleibt er da. Neben anderen Artgenossen für andere Adoptiveltern ist er über mehrere Tage durch halb Osteuropa transportiert worden. Das ist Geschichte.  Das Filip nicht nur fast blind, sondern auch stocktaub ist, bemerkten Freundin Heidi und ich schon nach der Ankunft. Da pieselte er ungeachtet unserer Aufschreie wie wild  Tischbeine und Schränke in meiner Stube an. Als ihn auch hinter oder neben ihm landende Plasteflaschen als Wurfgeschosse  kalt ließen, schwante mir Schlimmes. Denn eine Reaktion erfolgte erst, als ihm eine Flasche gegen das Hinterteil kullerte. Verflixter Mist!!! Wie kommuniziere ich denn ohne Laute mit einem Tier, das mich nur als großer Schemen wahrnimmt? Heidi googelte wie wild und las mir die  Ergebnisse ihrer Recherchen vor:  Das geht alles nur mit direktem Körperkontakt.  Eine gemeinsame Sprache wird also ein längeres Projekt.  

Vorerst war Filip wild entschlossen, sich niemals wieder in ein Auto, geschweige denn in eine Kiste in einem Auto verfrachten zu lassen.  Aber bei mir - Oma mit Hund im ländlichen Bereich - da muss der Hund einfach mitfahren: mal zum Tierarzt, zu schönen Gassirunden, zu Freunden, in Urlaub  usw.  Also konnte ich Filip keinen Abstand von seinem Transporttrauma gönnen. Er musste am nächsten Tag trotz heftigster Gegenwehr ins Auto.  Für zwei Kilometer und mit der neuen Kumpeline Darja. Die Fahrt endete auf grünem Feldweg, wo Filip eine erste Schnüffel- und Pinkelorgie genoss. Das passierte am Nachmittag noch einmal, ebenso am nächsten Morgen. Dann war das Problem schon fast Geschichte. Das  Kerlchen führt nach sechs Tagen in Deutschland Freudentänze auf, wenn ihm das Geschirr angelegt wird,  stolpert drängelnd und ohne auf meine Hilfe zu warten in Auto. Box allerdings - die geht noch nicht. Meine aus Zeltplanenstoff hat er gerade zerlegt.     

Boah ist das schön, Schnüffeln und Markieren ohne Ende am Schlegeler Teich 

Ja und das Markieren!!!. Das Wohnungspinkeln endete zwar schon nach dem Ankunftstag. Inzwischen bleibt das Haus sauber. Allerdings werden allerorten alle Zäune, Wände und Blumenkübel bis hin zum Schreibtischbein unserer Tierärztin bepisst. Auch das muss also - mit Körper- oder Leinensignalen - gesteuert werden. Rangiert momentan aber noch auf Rang 5 oder 7 der Prioritätenliste.  
Denn zuerst kommen die Basics. Wie bei einem Welpen oder einem Tierschutzhund, der nicht nur drei, sondern noch alle seine fünf Sinne beisammen hat. Was da u.a. wäre: Nicht auf Sofas, Betten und Sessel, nicht drängeln an Türen und Toren, nicht Betteln am Tisch, sich auf den Platz schicken lassen, warten, sich überall anfassen und in Ohren und Maul gucken lassen usw.  Mein Vorzeigcockerchen Darja, die beherrscht all das und noch sehr viel mehr. Aber mit diesem komischen schwanzlosem Neuen kann sie noch nicht wirklich viel anfangen. Erduldet ihn freundlich, trauert aber wohl ihrem Prinzessinnenstatus schon ein wenig hinterher. 

Aber bei den hiesigen Hundefreunden ist der  zweifach
gehandycapte Ukrainer gut aufgenommen 


Wie geht es jetzt weiter? Mir fällt besonders schwer, den Filip schon beim Versuch des Erkletterns vom Sofa oder Sessel zu schieben. Und sein Jaulen und Kratzen an der Haustür zu ignorieren, wenn der Mensch mal ne Weile nicht da oder außer Sicht ist.  Aber ein Hund muss  auch mal allein bleiben lernen. Er braucht ganz viel Streicheln - aber das möglichst ohne den Ersthund zurückzusetzen.  Und dann mein Haus. Viele Treppen, die Filip wirklich von oben bis unten runterstürzt. Also beide Hunde künftig unten lassen, oder ein Gitter nur für den einen als Barriere an der Treppe?  Und Madam darf weiter in ihren  Schlafsessel.  

Ihr seht, ich habe derzeit ganz viele Baustellen. Muss im Haus und mit den Hunden viele Dinge neu ordnen. Der doppelt behinderte freundliche  Cocker - er  ist nicht nur angekommen. Er mischt uns auf. 

Und immer auch Aufgaben für Darja. Verlorene Dinge suchen und bringen
das geht auch mit den behinderten Neuling an der Leine bei den
großen morgendlichen Gassirunden.




 

 

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