Direkt zum Hauptbereich

Die Zukunft fährt Rollator

  Oder Angst vor Hilflosigkeit

Ich bin bereits Urgroßmutter. Aber keine, die im Lehnstuhl sitzen will. Noch stehen täglich mindestens 10 000 Schritte draußen auf dem Plan. Das sind bei kurzen Beinen sieben Kilometer. Bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit. Verteilt auf drei Runden. Oft kombiniert mit Einkäufen und Ausflügen. Aber klar ist: das bleibt nicht ewig so!  Man muss dem Alter auch als Frau mannhaft ins Auge blicken. Vom Esstisch aus habe ich dem Altern zweier noch älterer Nachbarinnen lange und bedauernd zugesehen. Damit die eigene Zukunft gesehen.  Und diese Zukunft -  die fährt halt Rollator.  


 Meine Ex-Nachbarin Elisabeth: eine von vielen Omas auf dem Dorf. 

Nehmen wir nur mal die früher manchmal knurrige Elisabeth. Sie zupfte zunehmend mühsamer und zuletzt am Stock ihr Unkraut, mähte mit krummen Rücken ächzend noch ihren Rasen. Danach ging es trotz der Hilfe der Tochter und einem eingebautem altersgerechten Bad irgendwann nicht mehr im eigenen Haus. Sie ging dann erst in den "Altenkindergarten" und musste später doch mit "Honig im Kopf" ins Pflegeheim. Und genau mir gegenüber wohnte Ruth in einem alten Umgebindehäusle. Auch sie rappelte sich - sogar noch nach mehreren Hüft- und Knie OP - immer wieder Erst lief sie an Krücken vorbei bis zum Dorfladen. Auch nach Rehas täglich bis zu ihrem längst verstorbenen Hubert auf den Friedhof. Musste aber aber dann unten in der Stube schlafen. Weil Treppen nicht mehr gingen. Irgendwann schob sich Ruth nur noch hinter dem Rollator an meinem Stubenfenster entlang. Es folgten das Essen auf Rädern und dann die Autos des Pflegedienstes.  Irgendwann kam der ärztliche Notdienst. Denn Ruth war gestürzt. 

Dann blieb ihr nur noch das Pflegeheim mit Rundumversorgung. Das Haus ist verkauft. All diesen Dingen zuzuschauen, das ist wie so eine Art Doku-Soup - halt nur ohne Schauspieler, sondern mit richtigen Menschen. Deshalb wollen meine Frau Nachbarin rechter Hand und ich auch nicht als alte Omis in unseren alten Häusern hocken und darauf warten, bis der Pflegedienst kommt. Oder wir unser Essen nicht mehr selbst zaubern können, sondern das schon 10 Uhr vormittags lauwarm in Assietten geliefert wird.  

Wir gehen es jetzt also an: bequemes, altengerechtes und dennoch selbst bestimmtes Wohnen.  Umzug aus dem Eigentum in eine kleine warme Wohnung. Und das in Zeiten drohender Energie-Blackouts und absehbarem Finanzchaos. 

Das ist meine tolle Nachbarin im verrückten Haus. Wir wollen
beide nicht in unseren Häusern hocken bleiben. 

Und ich erzähle euch hier demnächst,  wie das so abläuft, wenn Oldis selbst mit 70+ noch die Bestimmer ihres Lebens bleiben wollen. 









Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Abschied von Filip

Heute möchte ich euch von einem besonderen, einem schwer gehandycapten, aber liebenswerten und bescheidenen Jungen - meinem Filip - erzählen. Einem Hund, der so verdammt wenig Glück in seinem Leben hatte. Einem Cockerchen, an den gestern meine örtlichen Hundefreundinnen bei einem extra Filip-Treff dachten und an den sich übermorgen noch eine liebe Gassifreundin mit mir erinnern will.    Hundefreundin Renate im Sommer 22. Damals haben wir den Filip nach seiner langen Reise aus der Ukraine in der Nähe von Prag abgeholt Ob es da oben wirklich eine Art Paradies und die immergrünen Hundewiese gibt, auf der all unsere lieben Tiere nach ihrem Tod wieder fröhlich und schmerzfrei tollen? Die Vorstellung tröstet zumindest uns, die  "Hinterbliebenen". Ich glaube nicht an ein Hundeparadies. Aber es tröstet, dass dem blinden und tauben Cocker-Spaniel, der seinerzeit  aus einem ukrainischen Tierheim über 2000 Kilometer und mehrere Wochen für ein besseres Leben in Deutsch...

Die Dorfjugend hat gefeiert

 Schock bei der täglichen Hunde-Morgenrunde. Wie sieht es denn hier aus? So eine Sauerei!  Oma zückt empört ihr Handy. So kann man doch einen Grillplatz am lauschigen und ehrenamtlich liebevoll gepflegten Schlegeler Teich nicht hinterlassen. Also diese Jugend von heute. Da kriegt man als Uroma einen dicken Hals.  Salate und Würste. Aber Wolf, Fuchs und Waschbär haben sich nach dem nächtlichen Krach noch nicht da ran getraut.   Gerade als ich eine andere Gassigeherin vor herumliegenden Bratwürsten und verstreuten Erdnusschips warnte, da knatterte es plötzlich hinter der Hecke. Heran rollten ein halb Dutzend Mopeds. Darunter welche mit Anhänger. Grüßend wurde uns unter den Helmen zugenickt.  Hier fuhr offenbar das Aufräumkommando der nächtlichen Partygesellschaft an den Teich. Und die haben ihren gesamten Müll am Tag nach der Party nicht nur flugs wieder aufgesammelt, sondern auch mitgenommen.    Die Moral von der Geschicht? Man sollte als Oldi nic...

Kampf für Darja

 Immer und überall kann es jedem Hundebesitzer einmal passieren: Da kommt - in diesem Fall quer über ein Feld - ein fremder Hund auf den eigenen Liebling zugesprintet. "Na, hat der etwa böse Absichten?" Spätestens ab einer Entfernung von 10-20 Metern merkt der erfahrene Hundemensch: das anrennende Tier wird nicht von Neugier oder jugendlicher Spiellust getrieben. Denn dann würden sich dessen Körpersprache und Verhalten in Richtung einer Kontaktaufnahme ändern.  So ein Tier hat die Cockerhündin attackiert. Foto: Pixaby Mir und dem Cockerchen Darja passierte es gestern auf hiesiger Stammrunde, dem Kirchsteg zwischen Dittelsdorf und Hirschfelde. In der Ferne spielte auf dem Feld beim Wohngebiet "Nordpol" ein Mann mit einem großen weißen und einem kleinen grauen Hund. Wir waren soooo weit von ihnen weg. Aber offenbar nicht weit genug. Denn der große weiße Hund sprintete los. Vergebens die Rufe seines Herrchens. Er kam näher: 100,50, 30, 20, 10 Meter. Ungebremst. Und ung...