Kürzlich war ich kurz in einer Klinik. Seither treibt sie mich mächtig um: diese Sache mit dem Arztbrief. Ohne dessen persönliche Entgegennahme man Kliniken nicht verlassen kann. Warum eigentlich? Das wollte ich dann doch mal genauer wissen.
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Ich hocke noch auf meinem Bett, während draußen auf dem Gang schon jemand drauf wartet. |
Das rechte und schon folienbezogene, frisch gemachte Bett: das gehörte einer über 80-jährigen Bettnachbarin. Die packte nach dem abschließenden Arztgespäch und ihrer letzten Untersuchung schon am zeitigen Vormittag ihre Tasche und machte sich fertig für den Heimweg. Vielleicht auch, damit die immer mal wieder herein schauende und auf ihren Startschuss wartende polnische Reinigungskraft endlich loslegen kann. Sie muss unsere Betten klinisch sauber für die Neubelegung vorbereiten. Ich - ebenfalls schon so gut wie entlassen - war jedoch bockig. In Erinnerung an einen Klinikaufenthalt vor zwei Jahren, als ich mit gepackter Tasche und bereits geräumten und neu bezogenem Bett bis nachmittags zunehmend frustiert auf einem zunehmend unbequemeren Stuhl hockte.
Dieses Mal hatte ich die Idee, das System Krankenhaus einfach auszutricksen: Ich bleibe solange auf meinem Bett hocken, bis mir Arztbrief und Taxischein ausgehändigt werden. Soweit der Plan. Aber dann Leute, dann läuft man zig Mal auf dem Weg zum Schwesternzimmer an einem Bett mit einem Menschen vorbei. Der von mittags bis zu meiner dann doch noch freiwilligen "Räumung" auf dem zugigen Gang lag. Wo zig Leute an ihm vorbeilaufen, niemand ihn fragt, ob er Durst hat, pinkeln muss - oder so. Er liegt da - von jedem Vorbeikommenden besichtigt oder übersehen. Stunden! Eine klinisch organisatorische Warteschleife. Und ich liege derweil angezogen und schon "auf dem Sprung" im Klinikbett. Zwischen Entlassung und Arztbrief. Mit zunehmend schlechtem Gewissen.
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Essen gab es noch - für Leute im Zimmer. Der draußen bekam nix. |
Damit war die Frage nach dem WARUM aber immer noch offen. Also hab ich mal offiziell die Krankenkasse angefragt. Die antwortete:
Aus
juristischer Sicht dient der Arztbrief als manipulationssichere
Dokumentation, wenn unterstellt wird, die Krankenakte sei
nachträglich verändert worden. Eigentümer
des Arztbriefes ist immer der Patient. Die Übermittlung
elektronischer Briefe ist grundsätzlich möglich. Funktioniert
allerdings nur über einen zugelassenen Dienst, damit die Daten des
Patienten weiterhin geschützt bleiben. Aktuell arbeiten nicht alle
Ärzte und Klinken mit diesem Dienst, da dieser erst 2021 eingeführt
wurde. Schätzungsweise wird hier in den nächsten Jahren eine
Veränderung stattfinden.
Damit war und ist die Frage, warum ich ohne Arzbrief nach ärztlicher Entlassung nicht einfach nach Hause gehen kann aber immer noch nicht beantwortet. Schließlich müssen wir alle bei jedem Austausch von Blut- und anderen Werten zwischen Ärzten, in jeder Klinik und so weiter Einwilligungen zu digitalen dauerhaften Datentransfers unterschreiben. Ich hab da schon allein zum Austausch zwischen Hausarzt, Facharzt und Krankenkasse mehrmals mehrere mehrseitige Datenschutz-Einwilligungen unterschrieben. Also auf der einen Seite steht also die viel gepriesene Vernetzung und digitale Zusammenarbeit. Und tolle medizinische Technologie. Auf der anderen Seite liegen Menschen wartend auf dem Gang. Während andere nicht nach Hause gehen können, weil ihnen nur noch der Arztbrief altmodisch und in schriftlich gedruckter Form fehlt.
Nun darf man ja gerne - ich tue das auch - der Datensicherheit im medizinischen Bereich misstrauen. Sonst hätten wir sie ja schon: die elektronische Gesundheitskarte, unsere digitale Patientenakte usw. Aber es könnte dieser Arztbrief doch anderntags abgeholt oder per Post geschickt werden. Das allein an dessen Herausgabe in der Zeit zwischen 9 und 16 Uhr tagtäglich in vielen Kliniken die Entlassung und Neuaufnahme von Patienten unrund läuft, das ist bedenklich!!
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